Gedichte


Moribundi


Der Hahn krähte nicht dreimal
Als ich dich verriet
Die Seele gepanzert
Traf doch mein Dorn dich
Im einzig entblößten Moment

Geschlachtet das härene Opfer
Die Augen verdreht
Als sähen sie schmerzgeweitet
Die Ufer des Denkbaren
In einer weiter entfernten Sonne

Früher so dacht ich die Welt mir
Als Molekül im Füller des Riesen
Aschengeburt
Die Schwester verwundet die Wurzeln gestochen
Zurück geblieben im Schlick der Gefühle
Ein winziges armbrustbewehrtes Dämönlein

Schnalzend
Der Pfeil trifft manchmal
Ein Zucken unter dem linken Auge
Behutsam doch drängend
Führt mich zurück auf den Mistgrund
Auf dem nicht der Hahn dreimal schrie


Eigentumsverhältnisse


Ich bin das Kind
Ich stehe zur Verfügung
Ich bin die Frau
Ich stelle mich zur Verfügung
Freiwillig verrate ich den zitternden Abgrund in mir
Wem gehört die Welt


Futur II


Hätten wir doch das Wort nicht gesagt
Das im Nu uns den Äther aufriss
Zogst du nicht Sehne um Sehne
Ader und Nerv
Aus dem geöffneten Abgrund
Fäulnisgeschwärzt mir
Werde ich ohne dich alt


Liebe II


Aus ihres Bauches Tiefe bricht ein Schrei hervor
Ohhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh
Und
Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh
Wie gut
Er presst ihre Rippen
Ihr Atem geht schwer
Der Ellenbogen spitzt in ihrer Magengrube
Die rechte Hand zermahlt mit unerbittlicher Lust
Ihre linke Brustwarze
Seine Zunge quetscht ihre Mandeln
Sie würgt
Seine Nasenspitze wühlt in ihrem Auge
Sie weint und verliert das Bewusstsein
Er ist sehr stolz auf sich


Mehrwert


Seht her
Ich bin gezeichnet
Für immer und immer
In stolzer Verzweiflung
Trage ich meine Verwundungen vor mir her
Wie Trophäen

 

Ein neuer Anfang


Noch morgende Stille
Kein Hahn kräht
Grüselwarmschwere
Atemgewolk rauh
Ein Halm bebt im Wind


Angstnacht


Klirrtöne funkelnd
Angstnacht
Wolkenschwer dräuen
Morgenlichtfetzen
Wirrstimmen bäuchlings
Und Herzwundweh
Angstnacht
Ein Amselpaar lässt den Tag anzittern


Angstnacht II


Schwarzlauernde Schauerstimmen
Zerreißen die Nacht
Atemangstschwebstille
Vieruhr
Und immer noch packt mich dein Echo im Nacken


Ich


Neunvormir
Achtvormir
Siebenvormir
Sechsvormir
Fünfvormir
Viervormir
Dreivormir
Zweivormir
Einsvormir
Ich


Mensch


Was ist der Mensch
Ein einmalnochnur zur Hälfte gedacht
Nimmt Raum ein
Schwerblickesenkend
Aus Angst schlägt zu


Nacht II


Dämmerlichtgeschnatter der Vögel
Rundkopfgeierndes Schlafmuffgeschmatz
Raus aus den Federn
Und Fenster zu


Ein neuer Tag


Ein wolkender Morgen
Mit himmlischem Reißgezähn
Flechtschuppiger Wind bröckelt wütend
Ein Drohgesicht auseinander
Fügen sich Augen und Brüllmaul
Zu einer anderen entsetzlichen Fratze
Auf dass mir der Tag schon
Zur Bestie wird

 

 


Blumenblattbläue
Pistolen und Harfenklang
Hunger und Hummer
Und der eine meint
Den Hang in
Sankt Moritz
Und der andre
Den Hang zum
Selbstmord
Und der eine hat
Und den andren hats
Halt


Herbstlaub
Gefrorenes
Zaghafter
Durchblick
Der Schnee fehlt
Wie immer
Doch früher wars anders
Da wusste man das noch zu schätzen
Und Krieg
Und Verderben
Und Elend
Und Hunger
Und Not
Doch nicht hier
Fauliger Friede
Und Kaviarbrötchen
Und atemlos atmet
Zwar satt doch
Die Gier


Mein guter Rat zur Weihnachtszeit:
Zähren gewähren
Begehren verwehren
Still genießen
Und wer aufmuckt
Erschießen


Regengüsse
Kalte Füße
Mandelkern und
Pfeffernüsse
Abschiedsgrüße
Selbstmordschüsse
Amen

Anna Cron