Bella - Eine Farce

Ein Stück über einen Tod und eine Liebe

Die schöne Bella war immer etwas Besonderes. Sie hätte jeden Mann haben können. Aber ausgerechnet für einen Fremden, einen Dahergelaufenen, hat sie sich entschieden. Keinem paßt diese Ehe. Nicht der Mutter, nicht den Schwestern und schon gar nicht Mitterer, dem Polizisten, der selbst ein Auge auf sie geworfen hat.
Als Bellas Mann umgebracht wird, sind alle schnell dabei, den Mord einer „Hure“ in die Schuhe zu schieben, und Mitterer wittert seine zweite Chance. Er weiß mehr und erpreßt Bella zur Heirat. Ein Glück entsteht daraus nicht. Doch haben alle ihren Frieden gefunden. Einen Frieden, der einem das Herz zerreißt.

In einem Stück, das seinesgleichen sucht, spürt Anna Cron den Eigenheiten der Mentalität ihrer Figuren in der Sprache nach. In fränkischer Mundart wirft sie Fragen auf, die auch vor hundert Jahren gültig waren und die bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben.

www.wuewowas.de - theater in würzburg - 28.01.02


Uraufführung,
Mainfrankentheater Würzburg




Szenische Lesung,
Residenztheater München

 

Bild Elf

Bellas Zimmer
Mitterer, Bella, Mutter

Mitterer:
Soch halt wos!

Bella:
Wos.

Mitterer:
So hob ich des etz net gmeint.

Bella:
Des passt scho.

Mitterer:
Du weißt, wos ich fir dich tu.

Bella:
Fir mich?

Mitterer:
Freilich.
(Schweigen)
Herrgott, manche Leit muss ma zu ihrm Glick zwinger!
(Schweigen)
Also?

Bella:
Lass mir Zeit...
(Schweigen)
Ich glaub, ich kann net...
(Schweigen)
Ich kann net kochen...

Mitterer:
Wer su ausschaut, kann sich des leisten.

Bella:
... und putzn kann ich auch net, und schlampert bin ich.

Mitterer:
Fir wos hammern a Geld?

Bella:
Allmächt, ich moch net!

Mitterer:
Hängst immer no an dem Saubär, dem greißlichn?

Bella:
Dich kenn i no net.

Mitterer:
Länger als den auf alle Fäll...
(Schweigen)
Du hast immer zu mir ghert...
(Schweigen)
Wassters nu, damals beim Schleicher, wie mer tanzt ham... und nachher im Wald...

Bella:
Bsoffn hast mich gmacht, und ich habs net gmerkt!

Mitterer:
Alle ham s dich ham wolln, und ich hab dich ghabt.

Bella:
Nie, du spinnst! Wer bin ich denn, dass ich dir ghör, bloß weil du mich willst?

Mitterer:
In die Hand hast mich bissen. Da hab i heit noch a Narbn.

Bella:
Des wird scho aus Liebe gwesen sein.

Mitterer:
Mir hat des gfalln. Kampf muss sein. Ane, die sich gleich hilecht, mechat ich gor net.
(er reißt sie an sich, versucht, sie zu küssen; sie wehrt sich heftig, schlägt und kratzt und tritt)
du Wildkatz, ich brauch dich, ich ko nimmer!
(er zerrt ihr, die sich verzweifelt zu wehren versucht, die Kleidung vom Leib und wirft sie zu Boden)
Jawoll, dir zeichis!

Bella:
Mama, Papa, Hilfe!

Mitterer:
(lacht geil)
Dein Papa fressen die Wirmer!

Bella:
Hilfe, Mama!

Mitterer:
(hält ihr den Mund zu, vergewaltigt sie. Bella erstarrt, weint leise)
So, wo is denn af amol dei Feuer? Lass net ausgeh!
(schlägt auf sie ein)
Zeich, wos in dir steckt! Ich fick di, bisd schieglst. Ah... ja, jawoll... du... endlich!
(er ermattet, bleibt schwer auf ihr liegen)

Mutter:
(kommt herein gestürzt)
Bella, hast du mich ... ach so. Entschuldigung!
(schmunzelnd)
Ihr kennt wohl net wartn bis zur Hochzeitsnacht?
(will gehen)

Mitterer:
Des basst scho, Mutter, machst uns an Kaffee?

Mutter:
Gern, Bub!

(...)

© Hartmann & Stauffacher

 

Anna Crons „Bella” im Mainfranken Theater uraufgeführt

Symbolkräftiger hätte die Eröffnungsszene nicht sein können: Der eiserne Vorhang verschließt den Bühnenraum, davor ein kleines Mädchen, aus dessen altmodischem Kassettenrekorder Hitparaden-Klänge scheppern. Und als der Vorhang hochfährt, weichen weder Beklemmung noch Tristesse. Im Gegenteil: Werner Brenners muffiger Souterrain-Küchenraum, der von einem 50er Jahre Küchenblock beherrscht wird, macht es augenfällig: Bella und ihre Familie aus Anna Crons gleichnamigen Stück leben in einem Gefängnis.

Beatrix Bühler lässt in ihrer stark stilisierten Uraufführungsinszenierung von „Bella“ am Würzburger Mainfranken Theater von Beginn an keinen Zweifel: Die Figuren sind Gefangene - ihrer Konventionen, ihrer Erziehung, ihrer dörflichen Umgebung und - ganz zentral -: ihrer Sprache. Unaufhörlich plappern sie Gemeinplätze und Floskeln, Plattitüden und Vulgärweisheiten in simplen Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätzen. Dabei ist ihr Sprechen im vermeintlich niedlichen fränkischen Idiom die klassische Form von Nicht-Kommunikation:
Sprache dient nicht dem Offenlegen, sondern dem Verbergen von Gefühlen.

Dabei böten Bellas Lebens- und Familiengeschichte, der gewaltsame Tod ihres Mannes, das schamlose Buhlen des Dorfpolizisten um die Gunst der Witwe und die Spannungen innerhalb des Familienclans reichlich Stoff zur tieferen Auseinandersetzung.
Aber Crons Figuren sind unfähig dazu: sie wollen wie Bellas Mutter (souverän: Ute Krüger) die Familie zusammenhalten, können wie ihr Bruder Gustl und dessen Frau Erika (mit bewundernswert disziplinierter Slapstick-Komik: Martin Schwartengräber und Angelika Hofstetter) nicht über den Horizont zwischen Kühlschrank und Küchentisch hinaus denken, oder haben sich wie ihre Schwestern Ev (Katharina Weithaler) und Gundi (Friederike von Imhoff) in den engen häuslichen Verhältnissen eingerichtet.

Die impulsive, auch körperlich dominante Ev geht dabei am weitesten. Ihre Koch- und Putzmanie treibt Katharina Weithaler kontinuierlich auf die Spitze, bis hin zum einzigen, kurzen und selbst in seiner plötzlichen Direktheit glaubwürdigen Gefühlsausbruch: die eindringlichste Figur.
Nicht minder überzeugend, aber weit unauffälliger interpretiert Johanna Schubert die Titelrolle: den seelischen Abstieg von der trauernden Witwe über das Opfer sexueller Gewalt zum seelischen Wrack, das in der geschlossenen Anstalt endet, und so den Bogen zurück zum Anfang, zum wieder geschlossenen Eisernen Vorhang schlägt.

Wolf im Schafspelz


Draußen, jetzt mit Ev liiert und fein heraus, ist der „Täter“, der Polizist Mitterer. Ein stürmischer Draufgänger und selbstsicherer Machtmensch, den Hans Kitzbichler als fast diabolischen, von seinen Trieben gesteuerten Wolf im Schafspelz zeichnet.
Da wird das Stück dann endgültig zur grotesken Farce, dessen fränkischer Sprach-Verankerung Bühlers Inszenierung mit dem gebrochen, mal aus dem Off, mal aus dem Rekorder im Küchenbuffet erklingenden Sound eine allgemeingültige Ebene entgegensetzt. Und damit das Stück weit über traditionelles Mundarttheater hinaushebt, auch wenn es verfrüht ist, von der Autorin als einem weiblichen Fitzgerald Kusz zu sprechen. Stürmischer Applaus mit Bravos.

Manfred Kunz, Main Post - Volksblatt - Schweinfurter Tagblatt, 29. 01.2002

Anna Cron