Scheherazade - Psychogramm

Über das Stück

„Es war einmal vor langer Zeit ein kleines Mädchen. Das war vom Teufel besessen. Das gab den Großen immerzu nur Widerworte, wollte nie gehorchen, ständig das letzte Wort haben. Bis nun dem Vater eines Tages der Kragen platzte. Er nahm eine Hacke und schlug das Mädchen entzwei. Vom Scheitel durchs Gesicht, rechts ein Auge, links ein Auge, in sauberer Symmetrie, ließ er die stählerne Klinge über Nase, Hals und Brustbein in ordentlicher Fahrt auf dem Zenit des Leibes fahren, schnitt, achtsam die Wirbelsäule zerteilend, leicht weitergleitend, das Steißbein splitternd sanft durchs Geschlecht. Nichts hielt dem stand. Was Vater machte, war perfekt, und mit der Hacke konnte er umgehen, der Vater.”

Ein Psychogramm über Gewalt, die einem Mädchen vom eigenen Vater angetan wird und der die Mutter mit hilflosem Schrecken gegenübersteht.

 

13. Bild

Marga:
Damals, wie mei Tante Anni gstorm is, do wor ich no a ganz a klans Madler, na hobi as erste Mol wos vom Sterm ghert.
Am Schlimmsten wor des, wie ich ghert hob, dass alle sterm müssn. Des hobi fast net ausghaltn. Ich wor fünf und hob net sterm wolln. Na hobi griener, an ganzn Omd und hob net aufhern kenner. Ganz laut. Und meine Eltern hom glacht, und mei Bruder hot gsacht: „Die spinnt!”, und ich wor wirklich verzweifelt.
Speter hobi na denkt, wenn ich sterb, solln alle sterm, des wär dann a Trost für mich.
Na hobi im Traum an Himmlvadder gseng, wie er ganz groß durchs Dorf gloffn is und beim Kircherwirt um die Eckn bong is un gsacht hat: „Etz wird gstorm!”
Des wor na gor nimmer su schlimm...

14. Bild


Hans:
Nächste Woch sin mir dro mit der Hausschlachtung, na brach mer vom Huwers Schorsch die Hackn.

Marga:
Die hobi scho ghullt. Die hängt scho am Nogl.

Hans:
Hast die Sau a scho bstellt?

Marga:
A scho.

Nadine:
Warum müss mer denn des Sukkeler umbringer?

Marga:
Wal mer an Hunger ham.

Nadine:
Mir kennertn doch a wos andersch essn.

Hans:
Su is in der Natur: Der ane frisst, und der andere wird gfressn.

Nadine:
Etz mussi geh.

Hans:
Warum na?

Nadine:
Beichtn.

Hans:
Allmecht, pass fei aaf... hullst an Papa vo der Schicht?
(Schweigen, scharf:)
Hullst an Papa vo der Schicht, hobi gfrocht!

Nadine:
(mürrisch:)
Jo.
(geht)

Marga:
Soch amol, wos wor nern etza des, mim Beichtn?

Hans:
Wos na?

Marga:
Dass aafpasst.

Hans:
Walls Lustmolch sin.

Marga:
Wer?

Hans:
Die Pfarrer.

Marga:
Maanst du eingtlich, ich hob net gseng, wie du blinzlt host?

Hans:
Ha?

Marga:
Zu deiner Tochter!

Hans :
Allmecht, derf mer des nimmer?

Marga:
Scho, ober des wor andersch!

Hans:
Wos soll nern do andersch gwen sa?

Marga:
Wassi net, andersch halt.

Hans:
(hält ihr ein Messer unter die Nase)
Soll ich mir mit su am Drecksmesser a Brot schmiern?

Marga:
Kannsters ja putzn.

Hans:
Ich schaff as Geld ins Haus.

Marga:
Des bissler!

Hans:
Wenns dir net langt, kannst ja geh!

Marga:
Des tät dir su passn!
(Pause)
Also?

Hans:
Wos?

Marga:
Des Blinzln!

Hans:
Etz wennsd mi net in Ruh lasst...

Marga:
Maanst du, ich siech net, wie du die Kla oschaust? Und am Ludwig sei Madler hättst oglangt!

Hans:
Wer sacht denn des?

Marga:
Am Ludwig sei Madler.

Hans:
Da is vielleicht der Wunsch der Vater des Gedankn. Na, wart ner Madler, wenn ich dich erwisch!

Marga:
Hast no net gnouch?

Hans:
Vo dir scho.

Marga:
Erschtns: Glabst du, a su a jungs Madler wünscht se an su an altn Hanskaschper wie dich? Zweitens: die Nadine is dei eichens Fleisch un Blut, du ekelhafts Mannsbild, du greißlichs!

Hans:
Das musst mer ausgrechent du song, du alte Schlampn.

Marga:
Brachst der blouß dei Bierwampn oschauer!

Hans:
Du Dampfnudl, du alte! Ich hob fei nu Chancen!

Marga:
Ja frale, vor allem bei die junger Madler!

Hans:
Was na sunst?

Marga:
Ober ner, wennsd dei Maal nit aafmachst; do kummt ja ein Qualm raus, dass a Sau graust.

Hans:
Allmecht, ausgrechent! Bei dir muss ma ja a Handtuch iber alles lieng, mit am klanner Luuch drinner, und nit amol des lohnt se.

Marga:
Um Gottes Willn, des wasst du doch scho lang nimmer, du, mit deim lumpertn Zipfeler.

Hans:
Bei su am wabblertn Lappn wie dir, is des ka Wunder.

Marga:
Ich bin net schuld, wenn du a Versager bist.

Hans:
Soch des nu amol!

Marga:
A Versager! A Versager af der ganzn Linie!

Hans:
Wennsd etz net leis bist, dann...

Marga:
Wos na?

Hans:
(hebt das Messer, drohend:)
Nix, net amol richtig abspüln kannst.

Marga:
Lenk ner ab, du... Wenn du des Madler net in Ruh lasst...

Hans:
Wos?

Marga:
Dann zeich ich dich o!

(Hans geht langsam mit dem erhobenen Messer auf Marga zu, drohend, als wolle er sie erstechen. Sie sieht ihm fest in die Augen)

Hans:
Da, schau dir den Dreck o!

Marga:
Ich hob nern gseng, den Dreck!

(...)

© Hartmann & Stauffacher

Anna Cron