„Cherry Docs” von David Gow
Ein jüdischer Anwalt verteidigt einen Neonazi - Skinhead, der eines rassistisch motivierten Mordes bezichtigt wird.
Das Gewaltpotential, das in jeder Szene zwischen Daniel und Michael zu explodieren droht, basiert nicht nur auf einem einzelnen
grausamen Verbrechen, sondern ist das Vermächtnis eines tausendjährigen Hasses.
Und der Konflikt wird noch verstärkt durch den dünnen Hoffnungsschimmer wahrer Vergebung. Beide bezahlen einen hohen Preis
als Konsequenz ihres Handelns, doch am Ende stellt sich die Frage, ob Michaels Rettung den hohen Preis wert war, den Daniel zu
entrichten hatte.
Szene zwei
Abend. Mike, vor dem Treffen mit Danny in einer Einzelzelle. Er ist barfuß.
Mike:
Der Fuß ist extrem empfindlich. Habt ihr jemals das Zeug über Fußreflexzone gehört? Es gibt Leute, die glauben das, aus Asien
kommt das, dass der Fuß Schaltzentrale für den ganzen Körper ist. Herz und Leber und den ganzen Rest kann man durch die Füße
erreichen. Der Fuß trägt den ganzen Körper.
Balanciert ihn aus. der Mensch springt darauf rum. Und wir, was machen wir?
Was machen wir für unsere Füße? Kümmern wir uns um sie? Sorgen wir für sie?
Nein! Wir erlauben ihnen, für sich selbst zu sorgen. Wir tragen lausige Schuhe made in Taiwan. Billig gemachte ausländische
Schrottarbeit. Und die Füße leiden. Füße.
(Pause)
Füße sind wie der Weiße Mann in der heutigen Gesellschaft. Wir können den ganzen Druck auf ihnen abladen. Sie übernehmen die
Last. Sie tragen die Last, hey, sind halt nur Füße! Geh mit ihnen! Geh auf ihnen! Übergeh sie. Sie sinds gewohnt. Sie wollen es
nicht anders. Ich trage Cherry Docs, achtzehn Loch, Stahlferse, Stahlkappe, original Luftpolster, Essig und Öl abweisend und ...
unverwüstliche Sohle. Kampf Modell. Kampfschritt, Marsch!
Diese Stiefel sind von einem führenden Deutschen Orthopädiespezialisten entwickelt worden. Der Mann war ein Wissenschaftler,
der sich nur mit Füßen beschäftigt hat. Ausgewogenheit, Tragfähigkeit, Komfort, Gewicht, Robustheit, Preis und Aussehen. Das waren
alles Faktoren beim Entwurf des perfekten Stiefels. Das perfekte Schuhwerk. Zieh den Stiefel an und spür, wie er sich anfühlt. Spür,
wie es sich anfühlt, wenn man einen echten, fucking Stiefel trägt. Richtig geschnürt hast du an den Knöcheln genug Halt um ein Messer
senkrecht rein zu stecken und skaten zu gehen... Nimm ne ganz normale durchschnittliche Scheißwand. Gipsplatten a zwei - mal - vier.
Überleg dir, wo die Zwei - zu - Vier sein können; Damit du dir den Fuß nicht verletzst. So, und jetzt teste die Wand mit deinem
Fuß, als ob's da noch was zu überlegen gibt. Jawohl, das ist es. Das ist dein Ding. Und jetzt kraftvoll, mit ein bisschen Gewalt,
zack mit dem Fuß durch die Wand. Fühlt sich gut an, was? Das ist verdammt noch mal Schuhwerk. Wenn ich um meine Faust ein Handtuch
binde und damit zuschlage, ist das ein bewaffneter Angriff. Also, wenn ich mit bandagierten Fäusten rumlaufen würde, wie ein Boxer
vor dem Kampf, würde mich die Polizei garantiert auf der Stelle hopps nehmen.
(Pause)
Die Stahlkappe in meinem Stiefel, in meinem Kampfstiefel, ist eine Waffe.
Das kannst du mir verfickt noch mal glauben, Kamerad. Und keiner kann was dagegen haben. Kann man was sehn?
(Pause)
Kann man den Stahl sehn?
(...)
© Hartmann & Stauffacher